150 Jahre Kampf für die soziale Demokratie

Deutschlands älteste Partei wird 150 Jahre alt. Am 23. Mai 1863 gründete Ferdinand Lassalle in Leipzig den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein – einen Vorläufer der heutigen SPD.

Die Forderung nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit der Französischen Revolution von 1789 ist wohl einer der bekanntesten Weckrufe in der jüngeren europäischen Geschichte. Der Ausruf steht für den Willen, eine Liste von universellen Menschenrechten zu verfassen, für den Willen nach Freiheit und Demokratie und zur Beendigung der Monarchie und der Unterdrückung. Nach dem Sturm auf die Bastille folgte aber auch zunächst eine lange Zeit der Ernüchterung. Napoleon machte mit seinen Feldzügen alle Errungenschaften der Französischen Revolution zunichte und auch die Revolutionen 1830 in Frankreich und 1848 in Deutschland waren zum Scheitern verurteilt.

All die Enttäuschungen konnten das Streben nach Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie aber nicht aufhalten. „Trotz alledem“, wie es in einem Arbeiterlied aus der Zeit der 1848-er Revolution heißt. Auch nach der gescheiterten Revolution muss den Menschen klar gewesen sein, dass die Unterdrückung nicht ewig anhalten könnte. So heißt es in demselben Lied: „Und ob der Prinz zurück auch kehrt, mit Hurrah hoch und alledem: Sein Schwert ist ein gebrochen Schwert, ein ehrlos Schwert trotz alledem.“

Nachdem die Arbeiterbewegung nun auch in Deutschland schon einige Jahre existierte, war es schließlich 1862 Ferdinand Lassalle, der die Idee einer eigenständigen und von anderen politischen Gruppierungen unabhängigen Arbeiterpartei vorantrieb. Lassalle war es, der am 23. Mai 1863 in Leipzig den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein ADAV gründete. Mit dabei waren gerade einmal zehn Delegierte aus ganz Deutschland, dazu aber noch viele Gäste und Zuschauer. Lassalle war kein Arbeiter, sondern ein Intellektueller. Eher Salonlöwe als Arbeiterführer, so schreibt der Historiker Arno Herzig. Im Gegensatz zu den internationalistisch gestimmten Marx und Engels war Lassalle eher preußisch-nationalstaatlich. Auch soll er relativ wohlhabend gewesen sein. Trotzdem erfreute er sich in Arbeiterkreisen immer größerer Beliebtheit. Im August 1864 starb Ferdinand Lassalle schließlich bei einem Duell, in dem es um eine Geliebte ging.

Die Mitgliederzahlen des ADAV stiegen jedoch in der Anfangszeit nur schleppend. Im August 1863 waren es gerade einmal 880 Mitglieder, obwohl Lassalle schon zur Gründungsveranstaltung 15.000 Mitgliedsausweise drucken ließ. Die Arbeiter blieben zunächst in ihren Arbeiterbildungsvereinen der bürgerlich-liberalen Fortschrittspartei. Auch August Bebel verweigerte dem ADAV seine Unterstützung. Er fand die Gründung in Leipzig zu früh, weil es aus seiner Sicht noch keine Klarheit gegeben habe „über die wichtigsten Angelegenheiten des Arbeiterstandes“. Im Gegensatz zu Lassalle war Bebel selber ein Arbeiter gewesen. Er hatte eine eine Drechslerlehre absolviert und machte sich als Meister mit 24 Jahren in Leipzig selbstständig. Er war Mitglied in den von den Liberalen organisierten Arbeiterbildungsvereinen und wurde 1867 sogar Vorsitzender des Verbandes Deutscher Arbeitervereine.

1869, in einer Zeit als der ADAV unter Lassalles Nachfolger Johann Baptist von Schweitzer immer weiter stagnierte, gründete August Bebel in Eisenach die Sozialdemokratische Arbeiterpartei SDAP. Diese machte dem ADAV schnell Konkurrenz, gerade auch weil der lassalleanisch-preußische Aufbau des ADAV viele abschreckte. Die Anhänger Lassalles taten nun alles, um die drohende Mitgliederabwanderung noch irgendwie abzuwenden, und begannen mit einem glorreichen Lassalle-Kult, der beinahe wie eine Religion aufgezogen wurde. Auch wenn Lassalle bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts die große Integrationsfigur der Sozialdemokratie blieb, die Geschichte des ADAV ging bald zuende. 1875 fanden sich der ADAV und Bebels SDAP zum Einigungsparteitag in Gotha zusammen. Beide zusammen bildeten nun die neue Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands SAPD, die sich wiederum nach der Aufhebung der Sozialistengesetze in Sozialdemokratische Partei Deutschlands SPD umbenannte.