„Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht!“

Als einzige Partei stimmt die SPD 1933 im Berliner Reichstag gegen Hitlers „Ermächtigungsgesetz“. Der damalige Fraktionsvorsitzende Otto Wels hält kurz zuvor eine der beeindruckendsten und mutigsten Reden, die in Deutschland je gehalten wurden.

Den Moment als Otto Wels am 23. März 1933 im Reichstag zum Rednerpult schreitet beschreibt ein ausländischer Beobachter: „Für eine Sekunde verbreitete sich Todesschweigen im Hause, während von draußen die drohenden Sprechchöre der SA hereindrangen. Weiß bis in die Lippen, den Mund zusammengepresst, mit harten Zügen in sichtbarem Bewusstsein der Schwere, des Ernstes und der Gefahr des Augenblicks bestieg Otto Wels langsam die Rednerbühne, den Kopf leicht gesenkt, aber die stämmige Gestalt gestrafft, die Schultern hochgezogen, als ob er in ein Gewehrfeuer hinein schritte.“

Es gehört nicht viel dazu, die Atmosphäre und die Gefühlslage der Sozialdemokraten in diesem Moment zu begreifen. Dazu kommt noch, dass 26 der ursprünglich 120 SPD-Abgeordneten bereits in Haft waren, untertauchen oder gar fliehen mussten. Die übrigen 94 Abgeordneten hätten angesichts der großen Gefahren garnicht erscheinen müssen oder sich bei der Abstimmung zum Ermächtigungsgesetz enthalten können – niemand hätte es ihnen verdenken können. Aber sie blieben standhaft bei ihrer Entscheidung, mit „Nein“ zu stimmen und den Nationalsozialisten etwas entgegenzusetzen.

„Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht!“, so lautete der Leitgedanke, den Otto Wels in seiner Rede formulierte. Später attackierte er die Nationalsozialisten noch schärfer wegen ihrer Absichten, die spätestens mit dem Ermächtigungsgesetz offensichtlich wurden: „Noch niemals, seit es einen Deutschen Reichstag gibt, ist die Kontrolle der öffentlichen Angelegenheiten durch die gewählten Vertreter des Volkes in einem solchen Maße ausgeschaltet worden, wie es jetzt geschieht und wie es durch das neue Ermächtigungsgesetz noch mehr geschehen soll“. Zum Ende seiner Rede machte er noch einmal deutlich, weswegen die SPD das Ermächtigungsgesetz abgelehnt hat und wofür sie stattdessen einsteht. „Wir deutschen Sozialdemokraten bekennen uns in dieser geschichtlichen Stunde feierlich zu den Grundsätzen der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Sozialismus. Kein Ermächtigungsgesetz gibt ihnen die Macht, Ideen, die ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten.“

Die gesamte Rede ist nachzulesen unter:
www.spd.de/linkableblob/5698/data/geschichte_rede_otto_wels.pdf 

Im Originalton können Sie sich die Rede anhören unter:
www.youtube.com/watch?v=bmhB6D1_AIc